Die profitabelsten Unternehmen der Welt – Gründe für den deutschen Rückstand
Apple war von 1998 bis 2005 nicht in der Rangliste der 500 umsatzstärksten oder profitabelsten Unternehmen vertreten. Bei Einführung des iPhone 2007 war Apple noch auf Rang 367 der Profitabilitäts-Rangliste [heise]. Heute ist Apple auf Platz 9 der umsatzstärksten Unternehmen. Aber viel wesentlicher, es ist laut Global 500-Liste das profitabelste Unternehmen der Welt.
Auf den vorderen Plätzen der profitabelsten Unternehmen stehen und standen bisher nur Großbanken, aktuell sind 7 der Top10 Banken – die mit ihren „Finanzprodukten“ fast selbst Geld drucken. Wie schafft es ein Industrieunternehmen, diese zu überholen und in 2016 45,5 Milliarden Euro Gewinn zu erzielen? Und mehr Gewinn als Samsung und Alphabet (Google), die einzigen Nichtbanken bzw. weiteren Industrieunternehmen in den Top10, zusammen?
Bevor wir uns dieser Frage widmen, sehen wir uns erst einmal die Situation in Deutschland an und führen dies dann zusammen.
Deutsche Unternehmen beim Gewinn abgeschlagen
Bei den profitabelsten Unternehmen wird Daimler gut 9 Mrd. € Gewinn abgeschlagen auf Platz 34 geführt. Im Umsatz-RAnking ist der Automobilriese immerhin 17. Volkswagen ist der bestplatziere deutsche Konzern der umsatzreichsten Unternehmen – auf Platz 6.
Dass deutsche Unternehmen nicht so extrem viel Gewinn abwerfen wie chinesische Banken oder Apple mag ein Stück weit daran liegen, dass hierzulande die Gewerkschaften noch ein wenig mehr Anteil an den Einnahmen für die erstreiten, die diesen Umsatz erarbeiten. Und an einem (noch halbwegs) funktionierenden Sozialsystem. Dafür sind sie aber auch stabiler als andere Unternehmen, weil auch der Binnenmarkt stabil ist. Am Beispiel VW sieht man, für viele überraschend, dass eine starke Gewerkschaft und kurze Arbeitszeiten für den, am Umsatz und Stückzahl gemessenen Markterfolg, nicht schädlich sind. Volkswirtschaftlich gesehen ist das deutsche Modell also mindestens so erfolgreich wie die auf den ersten Blick eindrücklicheren Modelle. Jedoch gibt es ein anderes Problem.
Keine Neugründungen, die auf Weltniveau kommen
Besonders interessant ist, dass alle deutschen Top-20 Unternehmen sehr alte Traditionsunternehmen sind. Ein paar davon sind fusioniert oder unter neuem Namen geführt, wie die EON, Uniper, Deutsche Telekom oder DHL. Es gibt kein neu gegründetes innovatives deutsches Unternehmen außer SAP, das es in den letzten 50 Jahren zur deutschen oder Weltspitze geschafft hat. Tatsächlich stammen die meisten Dax-Unternehmen aus der Gründungszeit um 1870.
Gründe für die Begrenztheit
Das wirft die Frage auf: Warum gibt es seit 1950 (mit wenigen Ausnahmen seit 1870) nahezu keine Unternehmensgründungen in Deutschland, die es in die Weltspitze geschafft haben?
Der natürliche Wirtschaftsraum
Zum Einen ist der natürliche Wirtschaftsraum sehr viel kleiner als der der USA oder Chinas. 82 Mio. Einwohner plus, je nach Unternehmensausrichtung 8,7 Mio. Österreicher und 5,4 der 8,4 Mio. deutschsprachige Schweizer. Für alle anderen Länder sind bereits landesspezifische Handbuch- und Produktvarianten notwendig, für alle Länder entsprechend eigene Vertriebsstrukturen, andere Zulassungen usw. Ein Unternehmen in den USA hat einen Heimatmarkt von 240 Millionen Menschen, plus Kanada, Australien, England mit gleicher Sprache und ähnlicher Kultur, zudem wird Englisch fast überall zumindest im Geschäftsleben beherrscht und verwendet. Z.B. auch China und Indien mit Milliardenbevölkerung. Was Nachrichten, Literatur, Software und Internetdienste anbelangt ist so sofort der Markt vielfach größer als der deutsche oder italienische oder polnische. Aus dieser Sicht ist es also kein Wunder, dass es wenig Software oder auch Romane aus Italien oder Deutschland gibt, die zu Welt-Bestsellern werden. Und wenn in den USA ein sehr spezialisiertes Produkt nur wenig Beachtung findet, kann es trotzdem sein, dass man 1 Million davon verkauft.
Durch die EU wurde einiges erleichtert. Die vereinheitlichte Zulassung von Produkten, keine Währungskonvertierung, teilweise Angleichung der Rechtslagen und ungehinderter Grenztransfer verringern den Aufwand, Produkte für ganz Europa anzubieten. Gleichzeitig findet eine zunehmende Spezialisierung statt, weil kleine Teile eines großen Marktes rentabler werden. Die Art und Weise, wie dieser große politische Raum und die Gemeinschaftwährung Euro beschaffen sind, verursachen jedoch erhebliche Probleme. Da das jedoch im Rahmen dieses Artikels nicht annähernd erörtert werden kann, kann an dieser Stelle nur auf andere Publikationen verweisen werden. Für große Unternehmen ist es sicher auch ein Vorteil, dass sie schon in Europa zur Internationalität gezwungen sind, so ist die Hürde zu anderen Ländern nicht mehr sehr hoch. Trotzdem gibt es für deutsche, spanische, französische, tschechische usw. Unternehmen auf dem Weg zur Weltspitze einige Barrieren mehr als für US-Unternehmen oder chinesische.
Mentalitätsdefizit
In den USA gibt es zahlreiche Beispiele von Enterpreneuren, die mehrfach gescheitert sind und dann einen herausragenden Durchbruch geschafft haben. Z.B. Walt Disney ist 8x gescheitert und musste oft von vorne beginnen. Fällt Ihnen eine einzige solche Geschichte aus Deutschland oder Frankreich ein? Deutsche Unternehmen wurden oft von findigen Tüftlern gegründet und sicher hatten sie viele Frustrationserlebnisse. Aber ein deutscher Unternehmer der einmal gescheitert ist, bekommt im Regelfall keine zweite Chance.
In den USA ist jedem klar, dass Erfolg die Folge von Lernprozessen ist, die Misserfolge beinhalten. Wer scheitert und daraus lernt, wird irgendwann etwas großes schaffen. In Deutschland funktioniert Innovation auf dieser Ebene nur, indem man sich finanziell absichert und etwas parallel hochzieht. Weil es in diesem Zusammenhang interessant ist: Einstein entwickelte seine bahnbrechende Relativitätstheorie nebenbei, als er als Sachbearbeiter im Patentamt arbeitete.
Vermarktungskompetenz
In den USA ist das Vermarkten eine der angesehensten Kernkompetenzen. Ein Fast-Monopolist wie Intel investiert z.B. jedes Jahr Milliarden in Werbung. In Deutschland entstehen große Unternehmen, wenn findige Leute in existierenden Unternehmen anfangen, ihre Idee umzusetzen und wenn der Zufall jemand, der eine Idee hat, mit jemand zusammenbringt, der die Idee publik macht. Z.B. kam der Durchbruch für Karl Benz als, von der Presse angekündigt und verfolgt, seine Frau ihre Eltern im weit entfernt liegenden Pforzheim mit dem ersten Automobil besuchte.
Halbherzigkeit und Visionslosigkeit
Zudem agieren deutsche Manager durchschnittlich so, dass sie mehrere zukünftige Produkte gleichzeitig halbherzig angehen, keines davon aber so, dass das zu einer Marktführerschaft führen kann. Bei Entwicklungen werden erst einmal niedrige Kosten in den Vordergrund gestellt statt ein konsequent gutes Produkt. Damit sind wir bei einer der Antworten auf die Frage im ersten Absatz. Hätte ein deutsches Unternehmen das iPhone entwickelt, dann hätte man ein Team von 5 Leuten zusammengestellt, die etwas Neues aber kostengünstiges entwickeln sollen. Es wäre ein billiger Prozessor, ein möglichst billiges Display verwendet worden. Ein Softwareteam würde die Eigenschaften eines Lastenheftes umsetzen. Heraus wäre ein Telefon mit Touchscreen gekommen, mit dem niemand arbeiten will.
Das Gegenmodell: Eines von Apples Geheimnissen
Ganz anders beispielsweise Steve Jobs. Unter seiner Führung wurden zahlreiche mittelmäßige Produkte vom Markt genommen und jeweils die Ressourcen auf ein herausragendes Produkt konzentriert. Beim iPhone stand die „Usability“ im Vordergrund. Die Bedienung musste nicht nur funktionieren sondern Spaß machen. Man muss damit nicht mit einem Stift auf einem trägen Bildschirm etwas auswählen sondern man kann mit bloßen Fingern schieben, vergrößern usw, wenn man nach ober fährt, dann scrollt der Bildschirminhalt noch flüssig nach, statt seitenweise nach oben getippt zu werden. Mit dem durchdachten App-System wurden Nutzungshürden und Virenprobleme umgangen. usw. Was dafür benötigt wurde, das wurde gefunden und verwendet. Einige Teile sind dadurch etwas teurer aber das Gesamtprodukt ist ein Vielfaches mehr wert.
Hintergründe des Mentalitätsunterschieds
In einem deutschen Großunternehmen wie Siemens oder Telekom hätte so ein Produkt nicht entstehen können, weil die Unternehmenskultur und dahinter die Wirtschaftskultur das nicht zulässt. Dahinter stehen wiederum die Angst vor dem Scheitern und mangelnde Klarheit über Marktentwicklungen. Letztere wiederum kommen aus einem viel zu wenig ausgeprägten Verständnis für Markt und Unternehmertum. Kultur, Erziehung, Schulsystem bringen gute Angestellter hervor aber keine Enterpreneure und keine Marketinggenies. Wer sich klein macht, kann kein großer Visionär sein und niemand mitreißen. Es fehlt in gleichem Maß an Mut und Kompetenzen, die für das „Enterpreneurship“ notwenig sind.
Risikokapital und Kompetenznetzwerke
Ein weiterer, ganz entscheidender Unterschied ist die Finanzierung. In Deutschland muss man für den Start eines eigenes Unternehmens am besten viel Eigenkapital haben. Oft kommt das aus eigener Arbeit, entsprechend lang dauert der Kapitalaufbau, entsprechend limitiert ist das Start- und Wachstumskapital. Wenn man das hat, dann bekommt man wahrscheinlich auch einen Kredit von der Bank, sonst sehr wahrscheinlich nicht. Wo kein Geld ist, kann auch kein Unternehmen entstehen, zudem kann es nur sehr langsam wachsen. Und damit wird es von dynamischeren Finanzierungssystemen überholt. Der Unternehmensgründer muss am Anfang quasi alle Kompetenzen selbst haben oder lernen, weil er dafür nicht ausgebildet wurde und weil er zu wenig Geld hat um Kompetenzen zuzukaufen. In der Folge scheitern 6 von 7 Unternehmensgründungen.
In den USA ist es völlig normal, dass nicht nur Banken ein Unternehmen finanzieren sondern Direktinvestoren und „Business Angels“. Das Prinzip des „Venture Capitals“ bedeutet: Wenn jemand eine gute Idee hat und die Fähigkeiten, ein Unternehmen aufzubauen, dies zu einem gewissen Grad belegt ist, dann kann ein Investor in dieses Unternehmen einsteigen. Er gibt die Menge an Geld, die für ein optimales Wachstum notwendig ist. Und im Regelfall hat er zudem Erfahrung mit dem Aufbau ähnlicher Unternehmen. Er hilft den Gründern mit Rat und mit den Kontakten aus seinem Netzwerk, oft genug auch mit einer vorhandenen Vertriebsstruktur. Dafür bekommt er einen Anteil am Unternehmen. So profitieren beide Seiten und beide haben ein intensives Interesse am Erfolg der Unternehmung. Sollte die Unternehmung doch scheitern haben Unternehmer und Investor viel Geld verloren. Wahrscheinlich auch für seine Altersvorsorge. Aber der Unternehmer zahlt nicht ein Leben lang einen Kredit zurück und kann bald neue Wege gehen.
Die TV-Sendung „Höhle der Löwen“ hat diese Finanzierungskultur in Deutschland publik gemacht. Die Realität am deutschen Venture Capital Markt lautet aber: Wer nicht schon eine Unternehmen aufgebaut hat und bewiesen hat dass sich sein Produkt verkauft, bekommt kein Geld.
Lösungen für Deutschland
Rahmen: Deutschland braucht zum einen einen gründungsfreundlichen politischen Rahmen, der Firmengründungen nicht durch ein Übermaß an Bürokratie, Reglementierungen behindert werden. Helfen würde auch, wenn nicht mehr (Anfänger-) Unternehmer aus einem Sozialen Auffangnetz ausgeschlossen würden. In Spanien gibt es z.B. eine soziale Absicherung für Unternehmer, die ihr Geschäft aufgeben müssen.
Netzwerke für Finanzierung und Unternehmer-Ausbildung: In den USA gibt es Netzwerke, die Risikokapital für Unternehmen vermitteln, sowie Personen und Wissen im Unternehmertum zusammenbringen. Grundsätzlich gibt es so etwas auch in Deutschland, nur bei Weitem nicht in dieser Dimension. Man könnte gleich mehrere der Standortnachteile in den Europäischen Ländern lösen. Gründer und Unternehmer und Deutschland, Frankreich, Polen, jedem Land in Europa brauchen Zugriff auf Risikofinanzierungsmöglichkeiten. International erfahrene Hilfestellung. Überwindung der nationalen Begrenzung.
Damit könnte auch die Unternehmenskultur Europa, startend in Deutschland, neu geprägt werden. Mehr Dynamik, mehr Unternehmerkompetenz, mehr Know-How, mehr Unternehmergeist würde nicht nur die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit Europas drastisch verbessern sondern auch den Menschen hier ermöglichen, zunehmend ein freiheitliches, selbstbestimmtes, sinnhaftes, erfüllendes Lebensmodell zu wählen, sich und eine Vision als Enterpreneur zu verwirklichen.
Persönliche Lösungen
Was ich jedem sage, der mich nach Erfolgsgeheimnissen fragt ist:
Der entschiedenste Faktor ist immer das Mentale. Vor allem bei Start-ups und in eigentümergeführten Unternehmen entscheidet der Unternehmer selbst im Wesentlichen über das Schicksal der Firma. Seine Klarheit, Ausrichtung Vision, Werte, seine Kompetenz und Handlungskraft sind zuallererst entscheidend.
Aber auch in Großkonzernen ist Klarheit, Kraft, Fokus, Mentalität ein Schlüsselfaktor, nur ist diese nicht mehr so global angelegt, viel mehr muss die Kultur des Unternehmens schlagkräftige Organisationseinheiten schaffen. Nicht umsonst ist einer der Lean Management Grundsätze, dass es wenig Hierarchiestufen und Teams bis zu 7 Menschen geben sollte. Dadurch kann man in den Organisationseinheiten eine geeignete Mentalität schaffen.
Der zweite wichtige Punkt ist, ein Geschäftsmodell nicht auf die Limitierungen der eigenen Perspektive und des eigenen Umfeldes abzustimmen sondern vielmehr den Blick am Anfang so weit wie möglich auszuweiten, dann über eine saubere Methodik zu fokussieren und in Produkte und Dienstleistungen zu kanalisieren. Die richtigen Perspektiven einzunehmen generiert die Erkenntnisse, die dann den Wettbewerbsvorteil ausmachen.
Ein wirklich durchdachtes Geschäftsmodell oder Produkt funktioniert sehr oft auch international. Heute reicht es aber nicht, sich neue Features auszudenken oder die Leistung weiter hochzutreiben. Vielmehr geht es um das Entdecken neuer Möglichkeiten, neue Wege, Bedürfnisse zu befriedigen und eine Scharf definierte Marke aufzubauen. All das gehört zusammen und wird durch den Geschäftskern definiert.
Jedes gute Unternehmen ist wie ein Kunstwerk, bei dem jeder Pinselstrich zum Anderen passt. Der Sinn des Kunstwerks ist, eine Wirkung beim Betrachter zu erzielen. Ein modernes Unternehmens muss Wirkung beim Kunden erzielen. Und, da die Wissenschaft bewiesen hat, dass wir Entscheidungen auf emotionaler Ebene abseits von Fakten treffen, muss es eine emotionale Wirkung sein. Ein spezifikationsgemäßes Produkt reicht nicht. Das gesamte Unternehmen muss das etwas verkörpern, das den Kunden berührt. Und das Bewusstsein dafür, wie so ein Business Modell entsteht fehlt bisher hierzulande. Das ist eine der Aufgaben, die jetzt angegangen werden darf und die nicht von einem Standort abhängt.